
Mut zum Zweifel
Die verzweifelte Suche nach Gewissheiten in einer ungewissen Welt kann unterschiedliche Ausdrucksformen nehmen: in Gewalt und Fanatismus, in innere Emigration und Depression oder in rastloses Ausprobieren als Ausdruck einer Sehnsucht nach neuer Lebendigkeit.
Verpasste Chancen (Johannes 20,19-23)
Bei den KMB-Regionaltreffen gingen wir der Frage nach, wie der Apostel Thomas mit der Katastrophe der Kreuzigung und des Todes Jesu umgegangen ist. Er hatte gerade erfahren, dass er vielleicht die Chance auf die Begegnung mit dem Auferstandenen verpasst hatte, weil er nicht anwesend war als Jesus in die Mitte der Jünger getreten war.
Seine Reaktion ist für uns moderne Menschen absolut verständlich. Es ist der aufgeklärt-wissenschaftliche Zweifel, der aus ihm herausbricht. Gerade in Zeiten, in denen sich Medien immer öfter den Vorwurf gefallen lassen müssen Teilwahrheiten, bewusst verfälschte Berichte bzw. die Unwahrheit (fake news) zu verbreiten, verstehen wir sehr gut, dass Thomas auf den Augenzeugenbericht der anderen Jünger antwortet: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe […] glaube ich nicht.“
Die erwähnte Begegnung mit dem Auferstanden überschreitet seinen Wirklichkeitshorizont. Es wird ihm von seinen Freunden etwas berichtet, dass es so noch nie gegeben hat. Auch wenn Jesus immer wieder davon gesprochen hat, dass er auferstehen würde: Den Auferstandenen leibhaftig zu erleben, ist doch etwas ganz Anderes als darüber theoretisch/vom Hörensagen zu wissen.
Impulse zum Nachdenken persönlich oder in der Männerrunde
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Wurde mir schon einmal eine Botschaft mitgeteilt, die ich nicht glauben konnte?
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Gibt es in meinem Leben Erfahrungen verpasster Chancen?
Zweifel und Hoffnung (Joh 20,24-29)
Sieben lange Tage vergehen, in denen die Jünger weiter in Angst und Unsicherheit in Jerusalem verharren. Sie scheinen wie in Schockstarre zu sein. In einem Zustand nach einer Traumatisierung, deren Verarbeitung noch andauert. Welche Gespräche werden sie wohl geführt haben?
Einerseits die Hoffnungsbotschaften der Jünger, die den Auferstandenen bereits gesehen und gesprochen haben. Sie wurden ja von Jesus sogar gesegnet und gesendet. Und andererseits die Zweifelsbilder von Thomas, dem diese heilsbringende Botschaft abgeht. Vielleicht debattieren und streiten sie heftig miteinander. Es sind zwei Erfahrungsdramen, die sich nicht versöhnen lassen und dennoch zerbricht die Gemeinschaft nicht, obwohl Thomas wahrscheinlich damit hadert, nicht da gewesen zu sein.
Als Jesus schließlich am darauffolgenden Sonntag den Jüngern nochmals erscheint, ereignet sich auch für Thomas Wandlung. Er wird empfänglich für das Auferstehungsereignis und kann es für sich nachvollziehen. Es ist ihm nicht mehr so wichtig, genau zu überprüfen, ob die Wunden Jesu wirklich am rechten Ort sind und wie sich Jesu Verwundung anfühlt. Die Erscheinung des Herrn ermöglicht ihm zu glauben
Impulse zum Nachdenken persönlich oder in der Männerrunde
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Welche Handlungen, Situationen, Begebenheiten lassen mich heute in der Welt verzweifeln?
Der Friede sei mit dir!
Weil es Thomas nicht mehr nötig hatte, genau zu überprüfen, ob es sich um den echten Jesus als Auferstandenen handelt, gibt uns Jesus im letzten Satz eine Hoffnungsbotschaft quer durch alle Zeiten bis ins Heute mit auf den Weg: Selbst in den dunkelsten Momenten von Unsicherheit, Zweifel und Ausweglosigkeit gibt es immer eine Chance auf Begegnung mit dem Auferstandenen.
Nicht die Erfahrungen von Krise und Verzweiflung verbauen die Begegnung mit Jesus Christus sondern Angst, Fanatismus, Gewalt und Ichbezogenheit. Es ist gut und wichtig Zweifel in den Blick zu nehmen, damit wir an ihnen im Glauben und Leben wachsen können.
Jesus erinnert die Apostel in beiden Begegnungen daran, dass überall dort Auferstehung möglich wird, wo wir jenseits unserer Überzeugungen an einer friedvollen Welt mitarbeiten. Der Friedensgruß, mit dem wir im Gottesdienst jeden Sonntag die Erinnerung an die Begegnung mit dem Auferstandenen Christus nachvollziehen, ist ein Auftrag an uns Christen heute, die Auferstehung in unserer Familie, unter Freunden, in der ganzen Gesellschaft Wirklichkeit werden zu lassen.
Der Apostel Thomas geht mit seiner Ermutigung zum Zweifel in diesem Arbeitsjahr als Begleiter ein Stück des Weges mit.
Ein Glaubensexperiment
Das apostolische Glaubensbekenntnis verdichtet die zentralen Aussagen des christlichen Glaubens in wenigen Sätzen. Nimm dir jede Aussage einzeln vor und überlege für dich: Glaube ich an diese Aussage, zweifle ich daran oder lehne ich sie ab.
von Wolfgang Schönleitner, Abteilungsleiter der KMB